Während der vergangenen Wochen waren die Gedanken des gesamten Grünfin-Teams bei den Menschen in der Ukraine.
Als Unternehmen, dessen Ziel es ist, den Menschen ein nachhaltigeres Leben auf der Welt zu ermöglichen, sind wir von den Ereignissen zutiefst erschüttert. Wir verurteilen den von Putin geführten Krieg auf das Schärfste und stehen als individuelle Personen und als Unternehmen an der Seite der Ukraine.
Es ist schwer abzusehen, welche Folgen der Krieg in den kommenden Wochen und Monaten für unser persönliches Leben oder die Welt haben wird. Nach vielen Gesprächen mit unseren Kundinnen und Kunden in der vergangenen Woche möchten wir euch dennoch unsere Meinung zu den kurz- und langfristigen Auswirkungen der aktuellen Ereignisse erläutern.
Wir hoffen, dass ihr alle sicher und wohlauf seid und einen Weg gefunden habt, die Ukraine in diesen schwierigen Zeiten zu unterstützen. Einige Vorschläge, wie ihr das tun könnt, findet ihr am Ende dieses Artikels.
Die kurz- und langfristigen Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit
Die kurzfristigen Auswirkungen sind bereits in Form von erhöhter Marktvolatilität zu spüren und dies dürfte sich so schnell auch nicht ändern. Die Anleger reagieren auf die unablässige Flut von Nachrichten und evaluieren die Auswirkungen des Krieges auf das Wirtschaftswachstum, die Inflation, die Geschäftstätigkeit und die Gewinne der Unternehmen - alles Punkte, die sich auf die Bewertung des Aktienmarktes auswirken. Auch die Regierungen überdenken die Verteilung ihrer Ausgaben, vor allem in Bezug auf das Verteidigungsbudget.
Die europäischen Länder suchen nach Wegen, russisches Öl und Gas zu ersetzen. Auch wenn die EU kurz vor der Ausarbeitung eines Plans steht, ist es wahrscheinlich, dass als erste spontane Reaktion die russischen Importe nach Möglichkeit durch fossile Brennstoffe aus anderen Ländern ersetzt werden. Das bedeutet, dass erneuerbare Energiequellen wohl kaum in der Lage sein werden, einen wesentlichen Teil der russischen Energielieferungen unmittelbar aufzufangen.
Wenn man jedoch die langfristige Perspektive betrachtet, hat der Krieg viele Fundamente der westlichen Politik der letzten Jahrzehnte ins Wanken gebracht. Einige davon geben uns einen triftigen Grund zu der Annahme, dass der Bereich der nachhaltigen Investitionen zusätzlich an Fahrt gewinnen wird.
Unserer Meinung nach haben die folgenden Entwicklungen für nachhaltiges Investieren eine zentrale Bedeutung:
- Beschleunigung der Entwicklung hin zu erneuerbaren Energien
- Verstärkte Kapitalzuflüsse in die entwickelten Märkte
- Größere Portfoliodiversifizierung durch nachhaltige Großunternehmen,
- “Nachhaltiges Investieren” wird schlicht und einfach zum “Investieren”
Wie verläuft der Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen?
Er verläuft leider nur sehr schleppend. Noch immer werden 85 % des weltweiten Energiebedarfs durch fossile Brennstoffe gedeckt. Die Internationale Energieagentur (IEA) geht davon aus, dass dieser Anteil bis 2040 geringfügig auf 70-75 % sinken wird.
Europa schneidet im Vergleich zum Rest der Welt deutlich besser ab, was teilweise auf die stärkere Nutzung erneuerbarer Energien wie Wind- und Solarenergie zurückzuführen ist. Dennoch werden 66 % der Energie aus fossilen Brennstoffen gewonnen.
Die hohe Abhängigkeit Europas von fossilen Brennstoffen bringt zwei große Probleme mit sich:
- Fossile Brennstoffe sind eine der Hauptursachen für die globale Erwärmung.
- Fast 40 % der Gas- und 30 % der europäischen Ölimporte stammen aus Russland. Damit heizen wir unsere Häuser und erzeugen Strom.
Beschleunigung des Ausbaus erneuerbarer Energien
Solar- und Windenergie produzieren wenig CO2 und sind entscheidend für das Erreichen des Ziels des Pariser Abkommens, bis 2050 keine Emissionen mehr zu verursachen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir bis dahin 90 % unseres Stroms aus erneuerbaren Quellen erzeugen.
Sich auf russisches Öl und Gas zu verlassen, ist mittlerweile ganz klar nicht mehr tragbar, was Europa leider auf schmerzhafte Weise erfahren musste.
Deshalb rechnen wir mit einem Szenario, in dem Europa im Laufe der Jahre große Mengen an fossilen Brennstoffen zugunsten von erneuerbaren Energien wie Solar- und Windenergie und, in geringerem Maße, Wasserkraft aufgibt. Regierungen, Unternehmen und Investoren setzen sich gemeinsam für die Beschleunigung dieses Trends ein. Durch den Zufluss umfangreicher Kapitalbeträge werden die Kapazitäten erweitert und die Kosten gesenkt. Die Regierungen stellen Zuschüsse für Forschung und Innovation zur Verfügung. Einzelpersonen und Unternehmen erhalten Subventionen, um diesen Wandel voranzutreiben. Das wäre eindeutig eine positive Entwicklung.
Aber wir stehen vor einer Herausforderung: Sonnenlicht, Wind und fließendes Wasser sind nicht überall und nicht rund um die Uhr verfügbar.
Daher erwarten wir, dass das Thema Kernenergie zurück auf den Tisch kommt, damit sich die Länder bei der Energieerzeugung selbst versorgen können. (Dass die Kernenergie auch erhebliche Risiken birgt, wurde kürzlich durch die Meldung, dass die russische Armee Kernkraftwerke in der Ukraine besetzt hat, deutlich).
Grünfin wird diese Diskussionen aufmerksam verfolgen, unseren Kunden zuhören und eigene Nachforschungen anstellen, um - sobald wir zu einer Entscheidung gekommen sind - Stellung zu beziehen.
Zunehmende Kapitalzuflüsse in entwickelte Märkte
Das Risiko und die Kosten von Geschäften mit Regimen, die als unmoralisch gelten, werden von Unternehmen, Regierungen und Investoren künftig noch gründlicher geprüft werden. Wir gehen davon aus, dass bei Investitionsanalysen Kriterien wie Korruption in den Ländern, der Ruf der Regierungen, Unternehmensführung, Rohstoffquellen, Menschenrechte, Sanktions- und Boykottrisiken usw. mehr Gewicht erhalten werden.
Die Nachhaltigkeitswerte der Industrieländer sind wesentlich höher als die der Schwellenländer. Daher erwarten wir verstärkte Kapitalzuflüsse in diese Richtung.
Größere Portfoliodiversifizierung durch Großunternehmen
Der britische Premierminister Boris Johnson sagte auf seiner jüngsten Reise nach Estland: “Ich kann mich an keine Zeit erinnern, in der in internationalen Angelegenheiten der Unterschied zwischen Gut und Böse, zwischen Richtig und Falsch, so offensichtlich war.”
In den Tagen nach dem Einmarsch in die Ukraine kündigten globale Unternehmen an, russische Vermögenswerte zu veräußern. Es findet also eine Art Selbstsanktionierung statt.
Der britische Ölkonzern BP will seine 20%ige Beteiligung an dem russischen Unternehmen Rosneft veräußern, auch wenn dies für die BP-Aktionäre einen Verlust von 25 Milliarden Dollar bedeuten könnte.
Apple, Nike, Siemens, Volkswagen, Boeing und viele andere Unternehmen haben einen Boykott oder die Einstellung ihrer Geschäftstätigkeit in Russland angekündigt.
Großunternehmen verfügen über die Ressourcen, um ihren Betrieb und den Vertrieb von einem Land in ein anderes zu verlagern. Diese Möglichkeiten verringern das Risiko, dass sie bei ihrer Tätigkeit zu stark vom falschen Land abhängig sind.
Darüber hinaus haben sie die Möglichkeit, mit ihrem Kapital etwas zu bewirken - sie können es denjenigen zur Verfügung stellen, die sich an die Regeln des Systems halten und es denjenigen vorenthalten, die diese Grenzen missachten.
“Nachhaltiges Investieren” wird ganz einfach zum “Investieren”
Bei lediglich 4 % des Fondsvermögens in Europa sind nachhaltige Investitionen das Hauptziel. Der Grund dafür sind die vielen Unternehmen in diesem Anlageuniversum, die den heutigen Nachhaltigkeitsanforderungen nicht entsprechen. Doch die Dinge ändern sich.
Unternehmen stehen unter dem immensen Druck von Konsumenten, Communities, Aufsichtsbehörden und Investoren, höhere Standards in Bezug auf die Umwelt und die soziale Verantwortung zu erreichen. Wer überleben will, muss sich anpassen und das führt zu einer Annäherung von traditionellen und nachhaltigen Investitionen. “Nachhaltiges Investieren” wird früher oder später schlichtweg zu “Investieren”.
Unternehmen, die diese Standards nicht einhalten, werden wahrscheinlich zu Außenseitern und damit für Anleger*innen uninteressant. Ein Beispiel ist Norwegens Reaktion auf Russland. Als Eigentümer des weltweit größten Staatsfonds wird Norwegen damit beginnen, seine russischen Beteiligungen im Wert von 3 Milliarden Dollar aufzulösen.
Was passiert nun am Aktienmarkt?
Die wichtigsten Aktienmärkte der Welt sind in diesem Jahr um 10 % oder mehr gefallen. Wir können die Zukunft nicht vorhersehen. Wir können uns zwar an der Geschichte orientieren, allerdings mit dem großen Vorbehalt, dass wir bezüglich der Folgen des Krieges in der Ukraine für den Rest der Welt noch im Dunkeln tappen.
Die folgende Grafik zeigt die Auswirkungen der russischen Aggression auf den Aktienmarkt, gemessen am S&P 500, und ihre Erholung nach den Konflikten. (Anmerkung: Der Einmarsch in Georgien erfolgte zeitgleich mit der Finanzkrise im Jahr 2008, welche die Welt in eine Rezession stürzte, von der sich der Markt nur langsam erholte).
Das Fazit
Die nächsten Wochen oder Monate vorherzusagen, ist ein unmögliches Unterfangen.
Allerdings darf trotz der massiven Bedrohung durch den Krieg Putins nicht vergessen werden, dass die existenzielle Gefahr des Klimawandels nicht gebannt ist. Am 28. Februar hat der Weltklimarat IPCC die bisher düsterste Warnung vor den Folgen des Klimawandels veröffentlicht.
Das gibt uns Anlass zur Überzeugung, dass sich die Welt, sobald wir den Terror auf die ukrainische Bevölkerung besiegt und seine weitere Ausbreitung gestoppt haben, so schnell wie möglich wieder der Erreichung unserer Klimaziele widmen muss. Nachhaltiges Investieren spielt dabei eine bedeutende Rolle. Außerdem wird die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen einen zusätzlichen, noch bitteren Beigeschmack bekommen - und das auch zu Recht.
Wir stehen an der Seite der Ukraine. 🇺🇦
Dein Team Grünfin
So kannst du der Ukraine helfen
Unterstütze die ukrainische Armee oder die gemeinnützige Stiftung “Come Back Alive” (akzeptiert Überweisungen / Krypto): https://savelife.in.ua/en/donate/
Unterstütze die gemeinnützige Stiftung “Voices of Children” (akzeptiert Kreditkarte / PayPal / Krypto): https://voices.org.ua/en/donat/
Unterstütze bedrohte Kinder und Familien durch UNICEF (akzeptiert Kreditkarte): _https://help.unicef.org/ukraine-emergency _
Unterstütze die ukrainische Armee über die Ukrainische Nationalbank (akzeptiert Banküberweisung/Kreditkarte): https://bank.gov.ua/en/news/all/natsionalniy-bank-vidkriv-spetsrahunok-dlya-zboru-koshtiv-na-potrebi-armiyi
Quellen und weitere Literatur zu diesem Thema
“Eye on the Market - 2021 Annual Energy Paper”, Michael Cembalest, JP Morgan Asset and Wealth Management, Mai 2021
“Top Market Takeaways - What impact might the Russian invasion have on markets?”, Jacob Manoukian, J.P. Morgan Wealth Management, 25. Februar 2022
“Morningstar Sustainability Atlas”, Valerio Baselli, Morningstar Inc., April 2021
Das könnte Sie auch interessieren
Die Märkte im ersten Quartal 2024
Im ersten Quartal 2024 haben die Finanzmärkte weiterhin Stärke gezeigt und waren geprägt durch bedeutende Meilensteine und vielversprechende Trends. Besonders bemerkenswert ist, dass der S&P 500 einen historischen Höchststand erreicht hat und die magische 5000-Punkte-Marke überschritten hat.
Was ein Jahr ausmacht (Grünfin-Update & Quartalsbericht)
Nun steige in eine Zeitmaschine, reise ein Jahr zurück und spreche mit anderen Anlegern. Die Stimmung war sehr pessimistisch. Der S&P 500 und der Euro-Anleihenindex waren 2022 um etwa 18% gefallen. Anleger waren nervös und viele verkauften.
Was ist das S&P 500 Planet Friendly Thema?
Ihr Aktienportfolio wird in die S&P 500-Unternehmen investieren, die am meisten auf eine grünere Zukunft ausgerichtet sind. Über einen Aktien-ETF werden Sie in den S&P 500 Paris-Aligned Climate Index investieren, einen Teil des S&P 500, der die Unternehmen einschließt, die sich am meisten zum Pariser Abkommen verpflichtet haben.